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016.3 Auf zur Hauptstadt (Teil 3)

  Dann kam endlich ein Bote mit der lang erwarteten Nachricht des Feldmarschalls. Diese lautete wie folgt:

  Gelobt sei der Allm?chtige! Preiset die M?rtyrer!

  Die Stadt Greifenburg ist nicht gefallen. Die Herrscher des Regimes halten sich aber immer noch hinter dessen Mauern versteckt. Somit haben wir uns entschieden diese zu belagern,, um der Schlange den Kopf abzuschlagen. Trotz eines Zulaufs an neuen Waffenbrüdern ist es dennoch unm?glich eine solche Festung nur mit den Soldaten, die wir im Moment haben, zu erobern. Ich bitte somit um so viel Hilfe und Nachschub, wie ihr irgendwie entbehren k?nnt.

  Euer,

  Feldmarschall Theodor

  Damit stand für alle fest, was zu tun war. Der Befehl wurde gegeben, dass alle entbehrlichen Truppen in Meglarsbruck gen Nordwesten nach Greifenburg entsandt werden sollen, um die Metropole zu erobern. Folglich begannen gro?e Vorbereitungen, welche Wenzel fasziniert mitbeobachtete. Die Massen an neuen Rekruten für das sogenannte Volksheer wurden nun gemustert und in Kompanien, Brigaden und Regimente organisiert. Jeder der Armeeinheiten wurde ein erfahrenes Mitglied der M?rtyrerbrigaden als Kommandeur vorgestellt.

  Gemeinsam mit Brahm und Ferenc sa? Wenzel auf den Treppen des Palastes und blickte hinunter auf den Platz davor, wo die M?nner alle organisiert wurden. Aufgrund des riesigen Andrangs nahm die Musterung schlicht und einfach diese Form an: Die Anw?rter gingen einzeln durch mehrere ?B?gen“, die aus oben zusammengebundenen Piken bestanden und folglich einen dreieckigen Durchgang formten. Dabei würde der Oberst ihre k?rperliche Tüchtigkeit be?ugen und sie notfalls aussortieren, wenn sie sichtlich ungeeignet für den Kampf waren. Das war’s. Mehr Voraussetzungen umfasste die Rekrutierung momentan nicht. Danach würden die M?nner Waffen und Rüstungen erhalten, wenn sie selbst noch keine hatten. Für den Jungen war es ein absolutes Schauspiel, dies mitzuerleben. Es waren vor allem junge M?nner da, aber auch ein paar ?ltere, erfahrenere Haudegen, die von den Truppen des Regimes desertiert sind, lie?en sich unter ihnen finden. Die meisten sahen waren dem Anschein nach von der Armut geplagt. Alte, zusammengewürfelte Kleider, schmutzige Gesichter, ungewaschene Haare und halbrostige Waffen waren viel zu oft zu sehen. Auch zu erkennen waren nun Fahnen, welche, wie Ferenc ihm erkl?rte, die Fahnen des ehemaligen Ordanischen Reiches waren: Eine rote Fahne, auf der eine goldene Sonne mit geschwungenen Strahlen prangte. Diese nun erstmals überall pr?sentierten Flaggen sahen uralt aus und waren wohl für Jahrzehnte irgendwo eingemottet gewesen.

  Als er dann schon eine Weile so dasa?, und das rege Treiben interessiert von der Ferne betrachtete, lief Petra an ihm vorbei. Sie drehte sich zu den dreien um und maulte: ?Habt ihr nichts Besseres zu tun? Macht euch mal nützlich!“ Daran nahm Brahm aber Ansto? und konterte: ?Was hat ein Weib das Recht sich zu erdreisten, unseren Erkorenen so anzusprechen? Sei lieber deines Weges!“ – ?Hatte ich ohnehin vor, mein Herr! Wenn euch dies hier zu beobachten langweilig wird, k?nnt ihr euch noch ansehen, was eure Krieger mit der Statue vor der gro?en Kathedrale gemacht haben. Auf Wiedersehen!“ Ihr fast schon freundlicher Ton war natürlich sarkastisch gemeint. Brahm schnaufte: ?Wenn August oder Theodor anwesend w?ren, würde sie sich das nicht trauen!“ Wenzel nahm es nicht ganz so übel, aber er war nun doch interessiert an dem, was mit der Reiterstatue am Platz vor der Verkündigungskathedrale passiert sein soll. Die M?nner begaben sich dorthin und fanden sie umgestürzt vor. Wie sich herausstellte hatten die Kascharenkrieger unter den M?rtyrern das Monument als Zeichen der Unterdrückung ihres Volkes durch die Alethischen gesehen und es infolge gestürzt und zerst?rt. Sie lagen damit richtig, da es zum zwanzigj?hrigen Jubil?um des Sieges des Regimes über die Horden errichtet worden war.

  Dies brachte Wenzel erneut vor Augen, wie heftig und tiefgehend die Emotionen ihrer K?mpfer hier waren. Sie k?mpften aus überzeugung und für eine bessere Zukunft. Wie viele Menschen waren schon im Kampf gegen die Tyrannei gestorben? Und wie viele würden jetzt noch sterben? Vor allem, da dies nun in SEINEM Namen geschah, machte sich Wenzel Gedanken und Vorwürfe darüber, die er mit niemandem teilte. Doch er war hier ohnm?chtig. Obwohl er der Erkorene war, war er im Endeffekt ohnm?chtig. Blut würde vergossen werden, das war nicht zu verhindern.

  Des Nachts hatte Wenzel dann wieder einen Traum. Er war weniger seltsam, was noch viel mehr die Frage aufwarf, ob er etwas bedeutete und, wenn das der Fall war, dann was genau er bedeutete. In dem Traum spazierte er über eine weite grasbewachsene Ebene. In der Ferne waren hohe, schneebedeckte Berge zu sehen. Von ihrer Richtung blies ein eiskalter Wind, der um ihn herumheulte. Weit entfernt konnte er dann etwas Braunes sich ann?hern sehen. Als es immer n?her kam, konnte er ausmachen, dass es ein riesengro?er B?r war. Als die Kreatur ihn dann entdeckte begann sie brüllen und lief auf ihn los. Voll Furcht ergriff er die Flucht. Er floh vor dem B?ren aus den Bergen. Er lief die endlos weite Graslandschaft entlang. Hier endete nun die Vision. Wie immer mysteri?s.

  Am Morgen darauf war alles bereit. Es war der Tag der Abreise. überall herrschte von Sonnenaufgang an hektisches Getümmel und M?nner rannten hin und her, um alles Notwendige noch zusammenzupacken und vorzubereiten. Auch Wenzel würde mitkommen. Am Gang begegnete er nun August, der ein paar Soldaten instruierte, was sie tun sollten. Als diese abtraten und der Mann sich dann umdrehte, lief er fast in den Magier hinein. ?Ho! Aufpassen, Junge!“ Der Bursche hatte eine Frage an den Stabschef: ?Und du willst auch mitfahren, August? W?re es nicht besser, wenn…“ – ?Ja, ich komme auf jeden Fall mit. Dies wird unsere bisher gr??te Herausforderung werden. Die Belagerung einer gro?en, befestigten Stadt ist kein Zuckerschlecken! Unsere M?nner brauchen mich.“ Dies leuchtete Wenzel ein, selbst wenn er seine Zweifel daran hatte, ob der Herr die Anstrengung des Unterfangens mit seinem verletzen Bein auch aushalten würde. Ganz offenbar hatte August aber etwas ?hnliches schon von seiner Frau sich anh?ren müssen, weshalb er den jungen Mann gleich unterbrochen hatte, als er ihn das gefragt hatte. Aus dessen Sicht war es auch eine Frage der Ehre, dass er bei der gro?en Kampagne gegen das Regime mit dabei war.

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  Wenzel ging somit weiter, um seinen pers?nlichen Sack und Pack beisammenzuhaben, wenn es dann bald los ging. Als er au?er Sichtweite war, rief August noch kurz zwei Untergebene M?rtyrer herbei. ?Jungs, ich habe noch einen Auftrag für euch. Erz?hlt aber keinem davon.“ Danach flüsterte er den beiden etwas zu. Anfangs starrten sie den Mann überrascht an, als sie seine Worte vernommen hatten. ?Dem Befehl des Feldmarschalls ist zu Folge zu leisten. Er ist der H?chste in der Befehlskette, das wisst ihr doch“, fügte der Stabschef dann noch hinzu. Nach kurzem Z?gern salutierten die beiden und marschierten ab.

  Auf den weiten Stra?en Meglarsbrucks war unterdessen eine riesige Milit?raufstellung in Reih und Glied gebracht worden. Von den Fenstern blickten diejenigen Anwohner, die nicht aus ihrer Stadt nach deren Eroberung geflohen waren, staunend herab. Manche winkten sogar den Soldaten oder riefen ihnen Verschiedenes zu. Wenige Zeit sp?ter war alles bereit für die Abfahrt. Petra und Irnfrid würden hierbleiben, w?hrend die M?nner in den Krieg zogen. Die Kontrolle der Stadt würde einstweilen eine von ihnen ausgew?hlte Vertrauensperson übernehmen, da auch Feldmarschallleutnant Tassilo mit auf dem Feldzug sein würde. Gemeinsam mit August führte Wenzel ganz vorne den Heerzug an. Wie auch alle anderen, war er nicht im Vollharnisch, da die Reise nach Greifenburg mehrere Tage in Anspruch nehmen würde. Ordanien war eindeutig ein sehr gro?es Land.

  ?Bumm, bumm! Bumm, Bumm!“ Das Ert?nen der Kriegstrommeln signalisierte den Abmarsch. Viele Leute winkten ihnen von den H?usern herunter oder von der Stra?e aus zum Abschied. So taten es auch Petra und Irnfrid. Die rote Fahne der M?rtyrer und die rot-goldene Sonnenfahne des Ordanischen Reiches flatterten im Wind, als sich der riesige Zug in Bewegung setzte. Die unz?hligen Schritte des marschierenden Heeres hallten durch die Stra?en der Stadt. Beim Westtor zogen sie hinaus auf ihre beschwerliche Reise. Anfangs quatschten noch einige M?nner miteinander, doch dies wich bald schon immer mehr der Stille. Nach den ersten Stunden begannen aber manche in den hinteren Reihen ohne Aufforderung Marschlieder anzustimmen.

  Der Trommler schl?gt Parade

  Die Sonnenfahnen wehn

  Nun hei?t’s von Duhns Gestade

  Marschieren zu gehn

  Die Trommeln scheppern laut und lang

  das Kriegsvolk eilt umher

  Wir folgen seinem lauten Klang

  gemeinsam mit dem Heer

  Zum Abschied wink ich dir Lebwohl

  oh, Liebste denk an mich.

  Wenn dem Zwingherrn ich versohl

  den Podex j?mmerlich!

  Das war eines der Lieder, die man h?ren konnte. Ihre Texte waren eher simpel und teilweise sogar derb. Wenn den Kommandeuren ein Lied einmal nicht gefiel, befahlen sie ihren Soldaten mit dem Singen aufzuh?ren. Bald darauf aber stimmten sie dann schon die n?chsten Ges?nge an.

  Sie zogen die fruchtbaren Hügellandschaften Mittelordaniens entlang. Weit und breit waren nichts als Felder, obgleich die Saat auf diesen erst zu wachsen begann. Die Kuppe eines gro?en Hügels erklommen habend, drehte sich der im Sattel sitzende Wenzel dann um und schaute auf den Heereszug zurück. Erst in diesem Moment wurde ihm klar, wie ungeheuer gro? und epochal die Ereignisse waren, an denen er selbst nun teilnahm. Hinter ihm erstreckte sich kilometerweit ein Meer an Menschen. Ein scheinbar endloser Zug an Soldaten schl?ngelte sich wie ein Drache über die langen Stra?en des Landes, gefolgt von einem ebenso riesigen Tross. Die Revolution marschierte! Dies war nicht das Abenteuer, dass er sich einst vorgestellt oder gewünscht hatte. Auch ging es hier nicht um ihn, selbst wenn sich Mancher das vielleicht einredete. Diese Sache war viel gr??er als er. Es war das Aufbegehren des Volkes gegen Tyrannei und es war ein Schrei nach Freiheit! Die M?rtyrerbrigaden waren nur das Ventil, durch das der Druck nun ausfuhr, der sich so viele Jahrzehnte aufgestaut hatte.

  Bevor sie dann für einige Stunden ihre Nachtruhe wahrnahmen, wollte Wenzel sich noch ein wenig mit den M?nnern unterhalten. August w?re natürlich dagegen gewesen, doch ritt der Bursche einfach die Reihen nach hinten, ohne ihn zu fragen. Den K?mpfern stellte er sich nur mit seinem Vornamen vor. Ihre Reaktion, als sie ihn sahen, war ein kurzer Salut, da sie aufgrund seiner zwei Leibw?chter annahmen, dass er einer der obrigen Milit?rs war, obwohl er recht jung aussah. Danach setzte er sich zu ihnen und sie plauderten ein bisschen über Gott und die Welt. In Decken gehüllt, da die Temperatur nach Sonnenuntergang ja doch noch recht tief herunterfiel, sa?en sie zusammen um ein Lagerfeuer und erz?hlten sich Geschichten. Es waren teils witzige Geschichten, von einem, der einmal dem Fleischhauer die Wurst gestohlen hatte, teils aber auch traurige, wie zum Beispiel die eine von dem Kind, dessen Vater die Inquisition eines Tages mitnahm und dieser nie mehr heimkehrte. Als ein Kamerade diese Geschichte erz?hlte, wurden alle ganz still. Gleich darauf wechselten sie das Thema, um die Stimmung zu heben. Viele hier hatten Trag?dien erfahren oder zumindest von anderen mitbekommen. Dennoch war keiner hier betrübt. Nein, ganz im Gegenteil, alle waren hier voll Hoffnung und Zuversicht. Die Zukunft würde eine bessere werden. Mit ihren eigenen H?nden würden sie dafür sorgen. Als es dann h?chste Zeit für die Nachtruhe war, ging auch Wenzel wieder zur Spitze des Zuges zurück und holte sich ein wenig Schlaf.

  Ein paar Tage sp?ter kamen sie an ihrem Zielort an.

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